Presse | News aus Rosenheim
Vorsorge rettet Leben – Dr. Gerhard Puchtler über Chancen und Hürden
90 Prozent Heilungschancen bei Brust- oder Darmkrebs, wenn die Krankheit früh erkannt wird: Diese Zahl allein zeigt, warum Vorsorgeuntersuchungen über Leben und Tod entscheiden können. Doch viele Menschen zögern noch – aus Angst, aus Unsicherheit, oder weil sie das Thema verdrängen. Anlässlich des Tags der Krebsvorsorge am 28. November haben wir mit Dr. Gerhard Puchtler, Leiter des Onkologischen Zentrums am RoMed Klinikum Rosenheim, über Chancen, Ängste und Entwicklungen in der Krebsprävention gesprochen.
Herr Dr. Puchtler, wie beurteilen Sie die aktuelle Wahrnehmung von Krebsvorsorge?
Die meisten Menschen sind heute gut informiert und sehen Vorsorge als wichtigen Schutz. Dennoch gibt es Zurückhaltung: Manche haben Angst vor der Untersuchung, andere vor einer möglichen Diagnose. Hier gilt es, Vertrauen zu schaffen und Ängste zu überwinden.
Und wie hat sich das Verhalten in den letzten Jahren verändert?
Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und die starke Belastung des Gesundheitssystems führten dazu, dass viele Vorsorgeuntersuchungen, einschließlich Koloskopien zur Darmkrebsfrüherkennung verschoben wurden. Ob dieser relativ kurze Zeitraum zu späteren Diagnosen führt, lässt sich heute noch nicht sicher sagen.
Wie hoch sind die Heilungschancen bei früh entdecktem Krebs?
Sehr hoch – genau das ist der Wert der Vorsorge. Wird Krebs im Frühstadium erkannt, bevor er sich ausbreiten kann, bestehen sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Bei Brustkrebs liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nach früher Diagnose bei etwa 90 Prozent. Bei Darmkrebs ist es ähnlich. Das zeigt: Früherkennung rettet Leben.
Welche Krebsarten lassen sich besonders gut früh erkennen – und welche Neuerungen gibt es?
Heute ist die Früherkennung vor allem bei Brustkrebs, Hautkrebs, Darmkrebs, Gebärmutterhalskrebs und Prostatakrebs wirksam. Eine wichtige Neuerung ist das Lungenkrebsscreening für Risikogruppen, das voraussichtlich ab April 2026 von den Krankenkassen übernommen wird. Lungenkrebs ist bei Männern die zweithäufigste, bei Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung – hier kann Vorsorge künftig viel bewirken.
Welche Gruppen nutzen Vorsorge zu selten?
Männer sind zurückhaltender, etwa bei der Prostatavorsorge – nur 30 bis 50 Prozent nehmen teil. Junge Frauen dagegen zeigen mit 70 bis 80 Prozent eine hohe Akzeptanz bei der gynäkologischen Vorsorge. Wichtig ist auch: Wer familiär vorbelastet ist, sollte schon früh engmaschige Programme nutzen, am besten nach genetischer Beratung. Leider nehmen sozial schwächere Gruppen Vorsorgeangebote seltener wahr, obwohl sie allen gesetzlich Versicherten offenstehen.
Welche Rolle spielen Angehörige bei der Motivation?
Eine sehr große. Wer selbst Erfahrungen gemacht hat – sei es durch eine eigene Erkrankung oder durch erfolgreiche Früherkennung – gibt diese weiter. So entsteht durch die Ermutigung von Mensch zu Mensch oft eine Dynamik: Familien oder Freundeskreise gehen gemeinsam zur Vorsorge.
Wo finden Menschen in der Region Informationen und Termine?
Der erste Ansprechpartner ist immer die Hausärztin oder der Hausarzt. Dort wird die persönliche Situation bewertet und die weitere Vorsorge koordiniert. In Rosenheim gibt es außerdem die Bayerische Krebsgesellschaft mit einer Beratungsstelle sowie unser Onkologisches Zentrum am RoMed Klinikum, das regelmäßig Infoveranstaltungen anbietet. Auch die lokalen Medien greifen das Thema Vorsorge regelmäßig auf.
Was wünschen Sie sich zum Tag der Krebsvorsorge ganz persönlich?
Mein Wunsch ist einfach: Nutzen Sie die Chance. Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Doch wir haben wirksame Vorsorgeprogramme. Wer sie nutzt, schützt sich selbst und entlastet zugleich das Gesundheitssystem, weil aufwändige Therapien oft gar nicht nötig werden. Vorsorge rettet Leben – Ihres und das Ihrer Angehörigen.
Welche Vorsorgeuntersuchungen sind gesetzlich empfohlen und ab welchem Alter?
- Ab 20 Jahren: Früherkennung von Krebserkrankungen der Geschlechtsorgane (Frauen)
- Ab 30 Jahren: Früherkennung von Brustkrebs (Frauen)
- Ab 35 Jahren: Hautkrebs-Screening (alle 2 Jahre), Gebärmutterhalskrebs (alle 3 Jahre)
- Ab 45 Jahren: Prostatakrebsvorsorge (Männer)
- Ab 50–54 Jahren: Früherkennung von Darmkrebs (Stuhltest)
- Ab 50–75 Jahren: Mammografie-Screening (Frauen)
- Ab 55 Jahren: Darmspiegelung (Frauen und Männer)
- Ab 2026 geplant: Lungenkrebsscreening für Risikogruppen